27 | EoG | Nun, da offenkundig niemand Lust hat ein EoG zu schreiben und ich gerade Zeit habe, steuere ich gern noch mein ceterum censeo bei.
Mein erster Dank gilt meinem Verbündeten Eduard, der mir trotz mangelnder Zurückhaltung im Herbst 1904 (Besetzung Serbiens) nicht die Freundschaft aufkündigte. Es war eine alles in allem recht effektive und verläßliche Partnerschaft, auch wenn mir bei ihm gegen Ende die Spiellust etwas nachzulassen schien.
An (nur der Reihenfolge nach) zweiter Stelle möchte ich meinen Gegnern Peter und Rolf dafür danken, daß sie es mir so schwer gemacht haben. Das ist kein Sarkasmus, denn ich nehme aus dieser Partie einiges mit. Da ist vor allem die Erkenntnis, daß man nicht einfach seine Ratio auf andere übertragen kann. Insbesondere Rolfs Befehle waren für mich mehrfach äußerst überraschend, und hier vor allem der Herbst 1906. Deutschlands Züge erschienen mir schlicht irrational und halsbrecherisch, denn der Verzicht auf die Deckung Kiels hätte natürlich auch ein schlimmes Ende nehmen können. Die Betonung liegt aber auf "erschien", denn wirklich irrationale Züge gibt es in Diplomacy in weit geringerem Maße als beispielsweise im Schach. Das Problem ist, daß man bei einer großen Anzahl von prinzipiell möglichen Zügen immer auch die Psychologie des Gegners mit einbeziehen muß, um schließlich einer Variante den Vorzug zu geben. Je nachdem, ob man den Zufall oder die eigene Fehleinschätzung betonen will, kann man das einfach "Raten" oder auch "psychologisches Einfühlungsvermögen" nennen. In diesem Punkt, gestehe ich neidlos ein, war mir Deutschland überlegen, denn Rolf hat mich besser eingeschätzt als ich ihn.
Nach der Würdigung der Leistung meiner Gegner will ich aber auch mit dem, was ich kritisierenswert finde, nicht hinter dem Berg halten.
1. Für Deutschland ist ein Bündnis mit England immer problematisch. In einer ausführlichen Konversation, die dem Herbst 1903 (Ende der Türkei) vorausging, hatte ich Rolf vor diesem Bündnis gewarnt und darauf hingewiesen, daß England fast immer der Profiteur einer solchen Allianz ist. Meine Prognose hat sich nicht nur voll bestätigt, sondern am Ende kam so etwas wie eine babylonische Gefangenschaft Deutschlands heraus. Es wäre nichts Ungewöhnliches und entspräche sogar absolut dem Geist des Spiels, wenn ich mich mit Peter am Ende auf ein 2er Draw geeinigt hätte. Aufgrund der beispielhaften Loyalität Österreichs mir gegenüber, aber auch der ungewöhnlichen Unberechenbarkeit dieser Partie, wäre die Initiative hierzu nicht von mir ausgegangen. Klar ist aber, daß Deutschland, hätte Peter mir ein entsprechendes Angebot gemacht, nicht den Hauch einer Überlebenschance gehabt hätte.
2. So virtuos England und Deutschland in Skandinavien und Ostsee in taktischer Hinsicht agierten, so zweifelhaft scheint mir die frühe Fokussierung auf die Eroberung Petersburgs in strategischer Hinsicht gewesen zu sein. Erstens ist der Einsatz von 4, später 6 Einheiten für die Eroberung eines einzigen VZ vollkommen unverhältnismäßig. Das eigentliche Problem aber scheint mir in der unnötig frühen Anzettelung eines Zweifrontenkrieges zu bestehen, der für England freilich unproblematisch war, für Deutschland aber – insbesondere bei einem frühen Ausscheiden der Türkei wie in dieser Partie – tödlich hätte enden können.
Als die englisch-deutsche Allianz mich angriff, war auch noch nicht klar, wer in der Auseinandersetzung zwischen Italien und Österreich die Oberhand behalten würde. Hätte Italien bis 1904 mit eigenen Truppen auf österreichischem Boden aushalten können, so wäre es zu einem italienisch-russischen Bündnis gekommen und Österreich in Sekundenschnelle besetzt worden. Aufgrund der maritimen Möglichkeiten Italiens, und weil zu diesem Zeitpunkt auch Frankreich noch nicht endgültig besiegt war, wäre der Ausgang mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein anderer gewesen.
Aber "hätte", "wäre", "könnte" – all das zählt bei Diplomacy nicht, zumal das Glück meiner Gegner dort, wo es Glück war, ohne Zweifel das Glück des Tüchtigen war. Also Dank noch einmal allen auch ausgeschiedenen Spielern für eine interessante Partie.
Walter (Rußland)15.11.2009, 15:35 Uhr |